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Graden im Erdreich

Von Wärmepumpen bis Fahrgasse für Feuerwehren: Die Stadtkante an der Aller in Verden ist auf dem Prüfstand. Und es sind ehrgeizige Ansprüche, auch um die Wohnungen, Geschäfte und ein Hotel energietechnisch zukunftsfähig zu machen. Ob es bei der Zusage, dass nur geringe Nebenkosten entstehen werden, bleiben kann, ist nicht mehr sicher. Im Moment werden viele Details abgeklärt.

Verden – Die Ansprüche fallen ehrgeizig aus. Knapp 100 Wohnungen, ein Lebensmittel-Vollsortimenter, ein Hotel und noch eine Ladenzeile, sie alle sind unter dem Arbeitstitel Stadtkante zusammengefasst, sie alle sollen mit Wärmepumpen über den Winter kommen. So sehen jedenfalls die Pläne auf dem ehemaligen Kaufhallen-Gelände zwischen Aller und Norderstädtischem Markt aus. Die Frage eben nur, ob im Erdreich unter dem kommenden Beton-Koloss überhaupt ausreichend Plus-Grade zur Verfügung stehen. „Wir gehen davon aus, es funktioniert“, sagt Ingo Damaschke vom Projektbetreiber Asset Verden GmbH. Aber belegt sei der Teilaspekt Geothermie noch nicht. „Deshalb finden noch in diesem Herbst Probebohrungen statt.“

Ruhig war es geworden um das Millionenprojekt mitten in der Stadt. Im Juni zuletzt noch der einstimmige Ratsbeschluss, eine neue Firsthöhe zuzulassen, seither herrscht Funkstille. „Nein“, sagt Damaschke, „wir klären aktuell eine Vielzahl Details ab“. Und dazu gehöre eben auch die Idee mit den Wärmepumpen. Ein Vorhaben mit weitreichenden Auswirkungen, vor allem in der aktuellen Lage mit explodierenden Energiekosten. „Davon hängt ab, ob wir den Interessenten für die Wohnungen wirklich eine Art Garantie auf geringe Nebenkosten geben können, ein gewiss ganz entscheidender Punkt bei der Vermarktung.“

Aber überhaupt die Vermarktung. Andere Investoren schrauben ihre Pläne vor dem Hintergrund von Preisexplosionen und Zinssteigerungen zurück, die Baukonjunktur bröckelt, ganze Projekte werden verschoben oder landen bereits in der Schublade. Diese ersten Krisensymptome nehme er zwar zur Kenntnis, sagt Damaschke, das Projekt „Veerner Höfe“, wie es der Investor getauft hat, ziehe seine Chancen aber aus der guten Lage mitten in der Stadt und direkt an der Aller. „Die Wohnungen mit einem Raumangebot von zwei bis vier Zimmern kommen eher nicht für Familien in Betracht, die mit dem Immobilienkauf Kapital bilden wollen und für die zwei oder drei Prozent Zinsen eine entscheidende Rolle spielen. Vorrangig sind es bei uns Interessenten, die eine Stadtwohnung beziehen wollen, oder sich zumindest die Option auf eine solche erhalten.“

Veerner Höfe: Angepeilt wird ein Baubeginn im Frühjahr des nächsten Jahres

Unklar allerdings, in welchen Höhen sich tatsächlich die Preise bewegen. Zuletzt waren dem Vernehmen nach in ähnlicher Lage rund 3 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche auf den Tisch des Hauses zu blättern. „Eine endgültige Preiskalkulation haben wir noch nicht. Vorher müssen die Detaillösungen geklärt und ins Gesamtprojekt integriert werden.“ Welche Lärmbelastungen sind zu erwarten und müssen kompensiert werden? Welche verkehrliche Lage ergibt sich und wie ist darauf zu reagieren? Wie schaut es mit der Ver- und Entsorgung aus? Welche Naturbelange verlangen nach Klärung? Aus diesem Holz sind die Fragen geschnitzt, die aktuell zwischen Planern, Behörden und öffentlichen Trägern erörtert werden. Das Beispiel Rettungswege. Sind die Fahrgassen für Feuerwehrautos breit genug? Gibt es ausreichend Anlegepunkte für lange Leitern? Stehen Bäume im Weg? Liegt das Brandschutzgutachten vor? „Müssten wir eine dieser Fragen mit Nein beantworten, könnten wir das ganze Projekt einstampfen.“ Aktuell befinde man sich im Finish. Am Ende steht die öffentliche Beteiligung, bei der sowohl Bürger als auch Organisationen und Institutionen das letzte Wort haben. Zwar sei weiterhin angepeilt, mit dem bisher auf 45 bis 50 Millionen Euro kalkulierten Projekt im Frühjahr nächsten Jahres zu beginnen, aber festnageln lasse er sich nicht darauf. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Jede Nachlässigkeit kann teuer kommen“, sagt Damaschke. Sobald jedenfalls die Baugenehmigung vorliege, werde mit den Ausschreibungen begonnen.

Die Veerner Höfe betreten einiges an Neuland. Die Parkgarage in der untersten Etage wird sich unter dem gesamten Quartier zwischen Allerufer und Norderstädtischem Markt erstrecken, in der Etage darauf liegen Lebensmittelmarkt, Hotel, eine Einkaufsmeile, der Allerplatz mit Blick über Fluss und Wiesenlandschaft unter dem Titel Stadtbalkon sowie eine Quartierstraße.

In den oberen Stockwerken folgen die Veerner Höfe, folgen die Innenhöfe, um die herum sich die Wohnungen gruppieren. Zum „Leuchtturmprojekt mit überregionaler Strahlkraft“ mache das Projekt auch dessen klimafreundliche Ausrichtung. Neben der Geothermie ist Photovoltaik auf 2 400 Quadratmetern geplant. Allein die Wohnungen beanspruchen einen Platz von 7 000 Quadratmetern.